Die Anmeldung des Wortzeichens „Fack Ju Göhte“ als Unionsmarke durfte durch das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) nicht wegen moralischer Verwerflichkeit abgelehnt werden. Die Entscheidung des EUIPO sowie das bestätigende Urteil des Gerichts der europäischen Union (EuG) wurden nun durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 27. Februar 2020 (Az.: C-240/18 P) aufgehoben.
Beide Stellen haben laut EuGH weder konkret, noch plausibel vorgetragen, warum das deutschsprachige Publikum in der Verwendung der Marke „Fack Ju Göhte“ einen Verstoß gegen grundlegende moralische Werte sehen sollte. Ganz im Gegenteil gäbe es eine Vielzahl von Begleitumständen, die gegen eine solche Wertung sprächen. Dass der Titel der Filmkomödien an den englischen Ausdruck „Fuck you“ angelehnt ist, reiche in Anbetracht des Kontextes nicht aus.
So würden sich die Filmkomödien nämlich unter anderem an jugendliche Zuschauer wenden. Auch habe die Filmreihe verschiedene Fördermittel erhalten und wurde durch das Goethe-Institut selbst als Unterrichtsmittel genutzt. Außerdem habe ein deutschsprachiges Publikum für den fremdsprachigen Begriff „Fuck you“ nicht die gleiche Empfindlichkeit, wie es bei einem englischsprachigen Publikum der Fall wäre. Das deutsche Publikum würde den Ausdruck gerade nicht so anstößig wahrnehmen, wie seine deutsche Übersetzung. Im Übrigen sei der Begriff nur eine lautschriftliche Übertragung der englischen Beleidigung. Der sensiblere Teil stehe zudem nicht alleine, sondern würde durch das Element „Göhte“ ergänzt und abgeschwächt.
Das EUIPO muss nun erneut über die Markenanmeldung durch den Rechtsinhaber Constantin Film entscheiden.
Die Pressemitteilung des EuGH vom 27.02.2020 im Volltext:
EUIPO muss erneut über das von Constantin Film als Unionsmarke angemeldete Zeichen Fack Ju Göhte entscheiden
Das EUIPO und das Gericht (EuG), die das Zeichen für sittenwidrig hielten, haben nicht hinreichend berücksichtigt, dass dieser Titel einer Filmkomödie von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit offenbar nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wurde.
Die von Constantin Film produzierte deutsche Filmkomödie „Fack Ju Göhte“ aus dem Jahr 2013 wurde in Deutschland von knapp 7,4 Millionen Zuschauern gesehen. Sie zählt mit ihren Fortsetzungen „Fack Ju Göhte 2“ und „Fack Ju Göhte 3“ aus den Jahren 2015 und 2017 zu den erfolgreichsten deutschen Kinofilmen. Auch in Österreich war der Film sehr erfolgreich.
Im Jahr 2015 meldete Constantin Film beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Wortzeichen Fack Ju Göhte für verschiedene Waren und Dienstleistungen als Unionsmarke an, u.a. für Kosmetikartikel, Schmuck, Schreibwaren, Reise-und Sportartikel, Spiele, Lebensmittel und Getränke.
Das EUIPO lehnte es ab, dem Zeichen Markenschutz zu gewähren, weil es gegen die guten Sitten verstoße. Nach Auffassung des EUIPO erkennen die deutschsprachigen Verkehrskreise in den Wörtern „Fack Ju“ den (lautschriftlich ins Deutsche übertragenen) vulgären und anstößigen englischen Ausdruck „Fuck you“. Durch die Hinzufügung des Elements „Göhte“ (mit dem der Namedes deutschen Dichters Goethelautschriftlich übertragen werde) könne die Wahrnehmung der Beleidigung „Fack Ju“ nicht wesentlich abgeändert werden.
Die von Constantin Film gegen diese Zurückweisung vor dem Gericht der Europäischen Union erhobene Klage blieb erfolglos; sie wurde mit Urteil vom 24. Januar 2018 abgewiesen. Daraufhin legte Constantin Film gegen das Urteil des Gerichts Rechtsmittel beim Gerichtshof ein.
Mit seinem Urteil von heute hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts und die Entscheidung des EUIPO, die weitgehend dieselben Fehlerenthalten, auf. Das EUIPO muss somit erneut über die Markenanmeldung von Constantin Film entscheiden.
Nach Auffassung des Gerichtshofs haben das Gericht und das EUIPO nicht hinreichend berücksichtigt, dass verschiedene Begleitumständeübereinstimmend darauf hinweisen, dass der Titel der in Rede stehenden Filmkomödientrotz der Gleichsetzung der Wörter „Fack Ju“ mit dem englischen Ausdruck „Fuck you“ von der deutschsprachigen breiten Öffentlichkeit nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen wurde.
Trotz der mit dem großen Erfolg dieser Filmkomödien einhergehenden großen Sichtbarkeit ihres Titels hat dieser offenbar nicht zu einem Meinungsstreit bei diesem Publikum geführt. Im Übrigen wurden zu den Filmkomödien mit diesem Titel, die im schulischen Umfeld spielen, jugendliche Zuschauer zugelassen. Darüber hinaus haben diese Filme Fördermittel verschiedener Organisationen erhalten und wurden überdies vom Goethe-Institut zu Unterrichtszwecken verwendet.
Weiter stellt der Gerichtshof fest, dass die Wahrnehmung des englischen Ausdrucks „Fuck you“ durch das deutschsprachige Publikum, obwohl er diesem bekannt ist und es seine Bedeutung kennt, nicht zwangsläufig dieselbe wie die eines englischsprachigen Publikums ist. In der Muttersprache könne die Empfindlichkeit nämlich wesentlich stärker als in einer Fremdsprache sein. Aus dem gleichen Grund nehme das deutschsprachige Publikum diesen englischen Ausdruck auch nicht zwangsläufig ebenso wahr, wie es dessen deutsche Übersetzung wahrnehmen würde.
Darüber hinaus bestehen der Titel der fraglichen Komödien und damit die angemeldete Marke nicht aus diesem englischen Ausdruck als solchem, sondern aus dessen lautschriftlicher Übertragung ins Deutsche, ergänzt um das Element „Göhte“.
Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass kein konkreter Aspekt vorgetragen wurde, um plausibel zu erklären, weshalb das allgemeine deutschsprachige Publikum das Wortzeichen „Fack Ju Göhte“ als Verstoß gegen grundlegende moralische Werte und Normen der Gesellschaft wahrnähme, wenn es als Marke verwendet würde, obwohl dasselbe Publikum den Titel der gleichnamigen Komödien offenbar nicht für sittenwidrig hielt, stellt der Gerichtshof fest, dass das EUIPO nicht rechtlich hinreichend dargetan hat, dass die angemeldete Marke nicht eingetragen werden kann.
HINWEIS: Die Unionsmarke gilt in der gesamten Europäischen Union und besteht neben den nationalen Marken. Unionsmarken werden beim EUIPO angemeldet. Dessen Entscheidungen können beim Gericht (EuG) angefochten werden.
HINWEIS: Beim Gerichtshof (EuGH) kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Gerichts eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Ist die Rechtssache zur Entscheidung reif, kann der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, das an die Rechtsmittelentscheidung des Gerichtshofs gebunden ist.